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Überleben unter Flachdächern

 

Große Flachdächer auf öffentlichen Gebäuden

Ein Versuch den Spagat zwischen den Fakten, die alle interessieren sollten, und einem weit verbreiteten Desinteresse an technischen / physikalischen Zusammenhängen zu machen.

Vorwort

Im Zusammenhang mit dem Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall habe ich mich auch mit einem längere Zeit selbständigen Zimmerermeister unterhalten. Er hat jetzt eine einschlägige Anstellung in einer oberbayerischen Gemeinde. Ich als Ingenieur, der während seines Studiums (1964-1967) noch allgemeine technische Grundlagen wie z.B. Statik eingepaukt bekam, fand die gesamten technischen Hintergründe von großem allgemeinen Interesse. Dabei kam ich auf den Gedanken meinen Informationsstand so aufzubereiten, dass die dabei entstandenen Erkenntnisse auch für den nicht technisch bedarften Leser zumindest ein paar interessante Informationen enthalten.

Weil ich nicht weiß, für wen es wo langweilig und uninteressant ist, baue ich das Ganze in abgeschlossene und immer tiefer eingehende Abschnitte auf.

I

Verhaltenstips für Besucher und Betreiber einer Halle mit Flachdach

Dächer mit einer großen Spannweite werden in vielen (wahrscheinlich den meisten) Fällen durch sehr lange verleimte Holzträger getragen. So ein Träger gibt sehr deutliche und laute Warnzeichen ab bevor er durchbricht. Ein Alarmzeichen ist auch wenn am Boden Holzsplitter liegen. Bei lauten Geräuschen oder bei herumliegenden oder gar herabfallenden Holzsplittern sollte man deshalb die Halle so schnell wie möglich verlassen. Sie kann dann möglicherweise immer noch längere Zeit stehen aber hineingehen würde ich da erst mal nicht mehr.

Ein verantwortungsvoller Betreiber einer Halle sollte regelmässig, überprüfen wie weit sich die Träger durchbiegen. Von der statischen Berechnung des Baus ist dieser Wert bekannt. Wird er überschritten so müssen sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

II

Warum bricht ein Dach das jahrzehntelang oft viel größere Schneelasten ausgehalten hat zusammen

Dächer und hier insbesondere Flachdächer mit riesigen Spannweiten sind eine relativ neue Errungenschaft. Wogegen es bei der konventionellen Bauweise (z.B. durch Bögen abgestützt) jahrtausende Jahre alte Erfahrungen gibt.
Als man vor mehr als dreißig Jahren begonnen hatte Flachdächer mit verleimten Holzträgern zu bauen, konnte man noch nicht erahnen, dass der wasserfeste Leim dieser Zeit, mit dem die Bretter zum Träger verleimt wurden, gar nicht so langlebig ist. Kondenswasser, das sich oben bei den Trägern bildet und das so genannte Arbeiten des Holzes ermüden diesen Leim. Es kommt zu Rissen und Aufweichungen in der Leimschicht. Dort wo die Kraft des Leims nachlässt, biegt sich der Träger etwas mehr durch, es gibt Mulden auf der Dachoberseite, in denen sich teilweise unter der Schneeschicht Wasser sammelt und so die geschwächte Stelle zunächst unbemerkt noch stärker belastet und noch mehr durchbiegt bis es zum Bruch des Trägers kommt.
In einem langen Prozess über viele viele Jahre wurden die Leime verbessert. Nur die alten Gebäude bleiben so, wie sie sind.
Was bei uns fehlt ist so etwas wie ein regelmäßiger TÜV für öffentliche Gebäude.

III

Ein kleines bisschen Alltagsphysik

Ein ganz einfaches Experiment zu Beginn:
Wir legen einen ca. 1 cm dicken Papierstapel quer vor uns auf den Schreibtisch und halten ihn auf einer Seite mit den Fingern ganz fest zusammen, so dass die Blätter nicht verrutschen können. Auf der anderen Seite halten wir ihn locker und biegen ihn nach oben. Das geht mit wenig Widerstand und die Blätter bleiben zusammen.
Jetzt halten wir ihn auf beiden Seiten ganz fest, biegen wieder und achten sehr darauf, dass die Blätter unter unseren Fingern nicht verrutschen (evtl. mit Heftklammern fixieren). Jetzt ist der Biegewiderstand deutlich größer und die Blätter fächern in der Mitte auseinander. Man kann auch erkennen, dass das an der Außenseite der Biegung liegende Blatt gezogen und das innen liegende Blatt zusammen geschoben wird. Würde man mehrere Stellen am Auseinanderfächern hindern, so würde die Biegefestigkeit des Stapels noch höher.

Genau die gleiche Thematik hat so ein Träger auch. Durch eine spezielle Technik werden astlose Bretter (sie entsprechen unseren Blättern) erzeugt (längsverleimt / Verleimprofil), die dann Schicht für Schicht aufeinander geleimt werden. Interessanterweise ist nie das Längsverleimen der Bretter kritisch. Das Problem sind immer die Flächen der aufeinander liegenden Bretter. Der Träger erhält nur dadurch seine Festigkeit, weil die Bretter durch den Leim daran gehindert werden aufeinander zu verrutschen. Trotzdem werden die großen Kräfte von den Brettern aufgenommen.

Nachdem das Dach nach unten drückt, ist hier auch die Außenseite der Biegung und damit das gezogene Brett unten und das unter Druck stehende Brett oben. Gibt der Leim nach, so passiert das gleiche wie beim Papierstapel. Der Träger geht in der Mitte auseinander. Durch das allmähliche Abreißen von Leimstellen und dem darauf folgenden Bewegen der Bretter entstehen erhebliche Geräusche. Je mehr sich der Träger durchbiegt, umso extremer wird die Belastung der außen liegenden und damit am stärksten belasteten Bretter und der verbliebenen Leim-Verbindungen.

 

 
Hans-Peter Fricke
14-jul-07